26. September 2021

Workshop und Konzert mit Jiggs Whigham im Ratsgymnasium Stadthagen

Eine Jazz-Legende gibt sich die Ehre. Eigentlich könnte Jiggs Whigham der Opa der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Big Band Workshops am Ratsgymnasiums Stadthagen (RGS) sein, doch sein musikalisches Auftreten imponierte allen trotz seines Alters.

Nachdem er coronabedingt mehr als 18 Monate keinen Workshop geben konnte und er mit seiner Frau gerade nach dreieinhalb Monaten in seiner Zweitheimat USA war, reiste er mit einem Jetlag und 79 Jahren von Bad Godesberg mit dem Zug zum Workshop nach Stadthagen an. Sichtlich müde verlangte er zunächst eine Stunde Ruhe in seinem Hotel. Pünktlich um 14 Uhr fuhr ich ihn zum Workshop in den Chorsaal des Ratsgymnasiums.

Er war sofort in seinem Element. Die Sitzordnung im Halbkreis musste in eine klassische Dreier-Aufstellung der Bläser geändert werden. Die Begründung lieferte er prompt und plausibel. „Die Musiker müssen gleich mit der Bühnensituation konfrontiert sein, damit sie beim Konzert nicht vom Klang überrascht werden.“ Mit „Coconut Champagne“ (arr. von Victor Lopez) stellten wir unser erstes Stück vor. Er forderte gleich mehr Dynamik von den Bläsern und Abwechslung in der Rhythmusgruppe. „Wenn Du Musik machst, dann ganz oder gar nicht! Mit viel Herz und Seele, das merken die Zuhörer sofort“, so seine Worte, um die jungen Schülerinnen und Schüler zu fesseln. Irgendwie haben alle sofort gemerkt, dass er nicht zum Spaß hier ist, sondern eine professionell spielende Big Band formen will. Alle gaben ihr Bestes, waren konzentriert und setzten seine Vorschläge um. Das Resultat war hör- und spürbar.

Stücke der Count Basie Big Band, komponiert von Neal Hefti standen anschließend im Vordergrund. „Little Darling“ wurde angespielt. Jiggs: „Stopp, achtet auf das extrem ruhige Tempo“. Nochmal und nochmal, bis man dem Original näherkam. Das Trompetensolo von Johanna rührte ihn sichtlich. Takte wurden aus dem Arrangement entfernt, so dass am Ende mit den Bucket-Dämpfern der Blechbläser ein Sound zum Dahinschmelzen entstand. Jiggs: „Hört euch immer das Originalwerk an, nur so könnt ihr die Musik verstehen“.

Als drittes Stück stand dann „Rough Ridin´“ von Ella Fitzgerald und einem Arrangement für Soloposaune von Frode Thingnaes auf dem Programm. Nachdem alle bei den Proben zuvor noch überlegt haben, wer denn die Solostimme spielen soll, war beim Griff von Jiggs an seinen King-Posaune sofort klar, hier spielt nur einer das Solo und der heißt Jiggs Whigham. Das Stück wurde zum Lieblingsstück aller Teilnehmer. Nicht nur weil die Melodie am Ende jeder mitsingen konnte, sondern weil das Solo von Jiggs unglaublich gut war und alle merkten, es lohnt sich zu üben!

Am zweiten Workshop-Tag kamen noch die Swing-Klassiker „Splanky“ und „Shiny Stockings“ dazu. Der Saxophonsatz wurde dabei ständig aufgefordert mehr Luft zu geben, was sie dann auch taten und alle anderen es ihnen dankten. Extraimpulse gab es an den Schlagzeuger, indem sich Jiggs ständig als Drummer in die Big Band einwechselte. Mit „Gentle Flow“ wurden am Nachmittag noch ein moderner Jazz-Waltz eingeübt. Das Stück stammt von Ansgar Striepens, ein Schüler von Jiggs, der mittlerweile Professor für Posaune ist und für die WDR Big Band komponiert. Auch den Posten als Leiter beim BuJazzO hat er von Jiggs übernommen. Bei dem Stück von Striepens wurde in erster Linie der moderne Jazzsound kultiviert.

Am dritten Tag kam es zur Generalprobe in der Aula der Schule. Von der imposanten Akustik war Jiggs sofort begeistert und sah mit Vorfreude auf das Konzert. Beim sehr gut besuchten Konzert musizierte zunächst die Büsching-Street Big Band die Swingstücke unter der Leitung von Jiggs, eingerahmt von „Coconut Champagne“ und „Sing, Sing, Sing“ unter meiner Leitung. Diese Mischung kam beim Publikum hervorragend an. Im zweiten Teil musizierte die „Body & Soul“ Big Band, die aus ehemaligen Schülerinnen und Schülern des Ratsgymnasiums besteht. Auch hier ließ es sich Jiggs nicht nehmen, beim letzten Stück „Switch in Time“ das Posaunensolo zu spielen. Ein überaus gelungenes Konzert mit einem roten Faden, einem sehr zufriedenen Publikum, beseelte

— ein Bericht von Andreas Meyer